Warum Updates im Auto künftig zum Gamechanger werden

"Früher war Software ein Teil des Autos. Jetzt bestimmt Software den Wert eines Autos". Dieser Satz stammt von Manfred Broy, emeritierter Professor für Informatik an der TU München und Experte für Software im Auto.
Software macht in Fahrzeugen zunehmend den Unterschied. Selbst in der unteren Preisklasse nähert man sich schnell der Marke von 100 Millionen Codezeilen, die in über 100 Steuergeräten hinter den Kulissen ihren Dienst tun. Kein Wunder also, dass auch das Thema Software Updates immer mehr als kritischer Faktor erkannt wird.

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OTA – Ein Update “Over-the-Air”

OTA (Over-the-Air) steht für Software Updates, die über Wi-Fi oder mobiles Breitband durchgeführt werden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Einspielen von Updates in der Werkstatt ist lästig – Termine müssen vereinbart und Zeit eingeplant werden. Bequemer ist da, das Update einfach per OTA einzuspielen, wenn das Fahrzeug zuhause in der Garage steht. Es geht aber nicht nur um das Beheben von Softwarefehlern oder Schließen von Sicherheitslücken, es können auch bestehende Fahrzeugfunktionen erweitert oder neu installiert werden.
Über einen Onlineshop des Herstellers können diese Services im Fahrzeug oder per App einfach nachgekauft und dann per OTA-Update installiert werden. Eine Option, die laut McKinsey für bereits 39 Prozent der Kunden interessant ist.

Nachhaltig und flexibel auf Kundenwünsche reagieren

War es früher ausreichend, mit einer neuen Modellgeneration alle Funktionen auf einmal zur Verfügung zu stellen, müssen OEMs heute durch den Trend zu Car-Sharing oder Auto-Abos schneller reagieren können. OTA hilft dabei, Fahrzeuge drahtlos mit Qualitäts-, Funktions-, Komfort- und Sicherheits-Updates aufzurüsten. Das ist auch aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit interessant: Fahrzeuge werden während ihrer Lebensdauer nicht nur instandgehalten, sondern verbessert und an die Kundenbedürfnisse angepasst.
Über OTA profitieren aber nicht nur Kunden von neuen Funktionen, sondern auch Hersteller und Zulieferer. Sie können über den Produktlebenszyklus im Aftersales neue Umsätze generieren. Kostenintensive Rückrufe können vermieden und Restwerte von Gebrauchtfahrzeugen durch spätere Upgrades erhöht werden.

Wie das Update ins Auto kommt

Trotz der Baukastenweise haben Autohersteller nach wie vor hunderttausend mögliche Baukombinationen eines einzelnen Fahrzeugmodells mit unterschiedlichen Softwareständen. Die Flotten werden immer größer und die Softwarestände wechseln immer schneller. Hinzu kommen die neuen UN-Regelungen, die vom Weltforum für die Harmonisierung der Fahrzeugvorschriften der UNECE angenommen wurden. Ab 2022 wird die neue Verordnung zur Cybersicherheit in der EU für alle neuen Fahrzeugtypen verbindlich und damit zulassungsrelevant. Sie schreibt vor, wie den Cyber-Risiken über die gesamte automobile Wertschöpfungskette hinweg zu begegnen ist. Das umfasst unter anderem, dass Fahrzeuge in der Lage sein müssen, Updates durchzuführen und zu protokollieren.
Ein Beispiel macht die Komplexität eines OTA-Updates deutlich: Stellen wir uns vor, ein Kunde möchte am Wochenende auf den Nürburgring gehen und hat dafür zusätzliche Leistung für sein Elektrofahrzeug online hinzugebucht. Sein Fahrzeug ist von der Hardwareausstattung baugleich mit dem Spitzenmodell, jedoch bisher durch die aktuell eingespielte Software limitiert.

OTA_Grafik_v2

Over-the-Air Updates gehen mit einem hohen Automatisierungsgrad einher

Damit überhaupt Performance-Updates durchgeführt werden können, sind zuvor einige Entwicklungsschritte nötig:

  • Entwicklung von Softwareständen für einzelne Gerätekomponenten:
    Zunächst muss ein Software-Update für die notwendigen Gerätekomponenten, wie z.B. der Inverter des Antriebsstrangs und das Batteriemanagement, entwickelt werden.

  • Upload der einzelnen Softwarestände:
    Die einzelnen Entwicklungsteams jeder Komponente laden hierzu ihre Softwareversionen in ein zentrales Artefakt Repository.

  • Fahrzeuge anlegen, verwalten und identifizieren:
    Um das Update an das Fahrzeug auszuliefern, muss das Fahrzeug im Backend bekannt sein. So werden nur autorisierte Fahrzeuge nach dem Kauf mit dem OTA Performance Update versorgt.

  • Funktionales Release zusammenstellen:
    Um das sicherzustellen, werden alle Software Updates der einzelnen Komponenten zu einem gemeinsamen funktionalen Release zusammengestellt, qualitätsgesichert und abschließend freigegeben. Wie bei einem Puzzle muss die Software jeder einzelnen Komponente zusammenpassen, um die gesamte Funktion zu ermöglichen. An diesem Workflow sind abteilungsübergreifend viele Personen beteiligt – Produktmanager:innen, Softwareentwickler:innen, Qualitätsmanager:innen, Safety – und Securitymanager:innen und Personen, die die Software testen.

  • Auslieferung des Updates:
    Die Auslieferung der Perfomance Software an das Fahrzeug erfolgt auch unter Hochlastphasen zuverlässig.

  • Aufzeichnen der Aktivitäten:
    Dies ist ein essenzieller Teil der Nachweispflicht eines Unternehmens. So kann in Echtzeit eine Aussage über den aktuellen Softwarezustand des Fahrzeugs getroffen werden. Der Auslieferungsprozess muss modernen Security-Richtlinien entsprechen und beispielsweise Man-in-the-Middle-Attacken verhindern. Hätte der Kunde beispielsweise einen Unfall, müsste der Hersteller nachweisen können, dass das Performance Update fehlerfrei funktioniert hat, aufgespielt wurde und technische Gründe für den Unfall durch fehlerhafte Programmierung auszuschließen sind.

Zusammengefasst: OTA ist ein echter Gamechanger. Während das Auto seinen Wandel von einer mechanischen Maschine zu einem softwaregesteuerten elektronischen Gerät fortsetzt, braucht es entsprechendes Software Know-how, um Over-the-Air Updates auf Knopfdruck umzusetzen. Denn nur wer den Prozess durchgehend und mit einem hohen Automatisierungsgrad sicher und zuverlässig beherrscht, kann die damit einhergehenden Potenziale voll ausschöpfen.


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